Langenlebarn,    23.November 2022

 

Und erstens kommt es anders….zweitens als man denkt

(Wilhelm Busch, 1870)

 

Flexibilität ist die wichtigste Eigenschaft der Langstreckensegler. Das haben wir heuer ausreichend bewiesen. Wer hätte gedacht, dass wir uns im November aus Österreich melden? Nicht einmal wir selbst, aber manchmal hat man eben Ideen, die einen alles über den Haufen werfen lassen: Im Juni, nachdem alle Servicearbeiten erfolgreich erledigt waren, wollten wir endlich einmal „richtig“ Urlaub machen. Wir genossen die Inselwelt, ankerten an einsamen Plätzen, besuchten die Dörfer, schlürften Cocktails bei Sonnenuntergang.  Und standen plötzlich  mit jeder Menge freier Zeit da.  Das verführt zum Grübeln. Worüber? Über unsere weitere Route natürlich. 

Auf der Suche nach dem verlorenen Ziel

Corona war Anfang Juli  noch nicht wirklich vorbei und die Einschränkungen für Segler groß. Vanuatu sollte demnächst zu bereisen sein, die Salomonen und Neuguinea stellten damals keine Öffnung in Aussicht und Indonesien war zwar unter bestimmten Bedingungen zu besegeln, aber die Einreiseregeln waren nebulös und die Coronazahlen höher als je zuvor. Wie sollten wir  dann aber an unser seit Jahren angepeiltes Ziel Thailand kommen? Ohne 3000 km durch  Indonesien zu fahren, wohl nicht.  Also vertieften wir uns erst einmal in Recherchen über dieses Segelgebiet. Und oh je – noch einmal etwas Unangenehmes – das Wetter im 17 000-Insel-Staat ist nicht gerade das, was man sich als Freizeitkapitän so wünscht. Offenbar hauptsächlich entweder Flaute oder Gewitter. Und dazu jede Menge unbeleuchteter Fischerboote.

 

Andererseits haben schon tausende Segler diese Strecke hinter sich  gebracht, viele sogar mit Begeisterung. Aber würden die Bedingungen dann in Thailand überhaupt halten, was wir uns versprechen? Wir waren dort schon  10mal segeln, jedoch immer mit gemieteten Booten, ohne uns Gedanken über die Liegeplätze machen zu müssen. Und  schon wieder ein „o je“, denn  für ein 53-Fuß-Schiff sind die Preise mehr als happig. Wir wollten die Yin Yang ja ursprünglich dort parken um sie im Winter zum Inselhüpfen zu nutzen. Aber für 3-4 Monate Palmenfeeling im Jahr tausende Euro hinlegen? Eigentlich keine Zukunftsperspektive. 

 

Was tun?  Nicht nur wir, auch die Yin Yang altert und irgendwann würden wir sie dann verkaufen wollen oder müssen. In Thailand? Kein interessanter Markt. Dann lieber gleich hier in Fiji, wo der Markt boomt. Ein harter Schnitt, eine folgenschwere Entscheidung, die man rasch umsetzen muss, damit man nicht wieder zu zweifeln beginnt. 

Anna macht Druck

 

Anna, die Maklerin, die vor ein paar Jahren das Boot eines Freundes innerhalb einer Woche verkauft hatte, war uns noch in deutlicher Erinnerung. Ein Anruf und die Sache kam ins Rollen. Und zwar so schnell, dass kein Raum mehr blieb für Meinungsänderungen oder Sentimentalität. Ob beim Essen oder Schlafen, Anna war ständig am Handy mit Anweisungen, was alles zu erledigen sei. Für einen Gutachter, der extra aus Australien eingeflogen wurde, musste das Schiff aus dem Wasser gehoben werden, wir mussten lange Inventarlisten erstellen und eine Geschichte unserer Yin Yang-Zeit schreiben. Der Zeitpunkt für den Dreh eines Werbevideos war zu fixieren, und zwar an einem ruhigen Platz ohne Wind und Wellen, bei Sonnenschein und blauem Himmel. Und wir sollten darin alles persönlich präsentieren Die Nervosität war groß, schließlich könnte doch in den Aufnahmen noch  irgendwo  ein Staubfusel zu sehen sein und überhaupt….Auf bewegten Bildern sieht man ja auch immer so dick aus….. Und unser österreichisches Englisch….

Eine Lektion in modernem Marketing

Wir hätten nie gedacht, dass das Yachtverkaufsmarketing so ausgefeilt ist. Und alles digital! Früher hat man eine Anzeige aufgegeben und gewartet, dass jemand anruft. Heute erscheint eine Präsentation auf einschlägigen weltweiten Plattformen und  diverse Algorithmen teilen dem Makler  aufgrund der Zugriffe mit, ob der Preis passt oder ob in irgendeinem Bereich nachgebessert werden müsse.

Kurz vor dem Hochladen, inzwischen war es Mitte Juli,  wurde es noch eng – Anna kam mit Blinddarmdurchbruch ins Spital. Und auch wir hatten Bauchweh und zitterten dem um eine Woche verschobenen Tag der Veröffentlichung  entgegen.

 

Das Zittern wäre nicht nötig gewesen, denn am selben Tag meldeten sich  schon die ersten Interessenten. Am zweiten Tag bereits  poppte bei der  noch geschwächten Maklerin ein konkretes Angebot am Bildschirm auf. Kurze Preisverhandlungen und schon war die Anzahlung am Treuhandkonto. Tja, so ist die digitale Welt. Der Kandidat aus Neuseeland hat das Boot in der Realität nicht gesehen, war aber sicher, dass er es wollte. So etwas dürfte heute normal sein. Recht oft werden Yachten ohne persönliche Besichtigung gekauft.  Meist handelt sich es sich dabei, wie in unserem Fall, um Leute, die es auf einen ganz bestimmten Bootstyp abgesehen haben,  genauestens über dessen Technik und Handhabung informiert sind und sofort zuschlagen, sobald etwas Passendes am Markt auftaucht. 

Freizeit mit Putzlappen

Trotzdem waren wir aufgeregt, auch noch, als drei Wochen später die gesamte Zahlung einging. Der „Neue“ hatte geplant, Ende August mit der Familie  für zwei Wochen auf Segelurlaub nach Fiji zu kommen und die Yin Yang erst später, im südlichen Sommer,  nach Neuseeland zu segeln. Wir konnten die  Zeit bis zu seiner Ankunft noch für eine Inselrunde nützen, wurden dann aber von einem Schlechtwettereinbruch wieder in die Marina zurück getrieben.

 

Langweilig wurde uns dort auch nicht, denn es gab wieder ein Kommen und Gehen von neuen und alten Freunden.

Auch einen unangemeldeten Übernachtungsgast durften wir begrüßen. Kater Eric, ein paar Boote weiter zuhause,  stellte fest, dass der Deckel unserer Tiefkühltruhe im tropischen Klima die optimale Schlafstatt sei, er ist  ja etwas kühler als die Umgebungstemperatur. Das schmeichelt dem verwöhnten Katzenbauch! Er fühlte sich überhaupt bei uns sehr wohl und war nur durch den Staubsauger zu vertreiben. Dieser wiederum kam häufig zum Einsatz, denn es gab viel zu putzen. Die größte Angst der Hausfrau ist es schließlich, eine schlechte Nachrede zu haben. Wir waren in unseren  letzten beiden Yin Yang-Wochen jedenfalls kaum mehr ohne Putzlappen in der Hand anzutreffen. 

 

Ein wenig Abwechslung  musste trotzdem sein. Ein Ausflug zu einem Orchideengarten, den der Schauspieler Raymond Burr anlegen ließ, lenkte uns kurzfristig etwas  ab. Burr liebte Fiji und Orchideen und war vermögend genug, auf 20 Hektar in einer herrlichen Parklandschaft  2000 verschiedene Orchideenarten zu kultivieren. Heute ist der Park öffentlich und eine Touristenattraktion in der Gegend um Nadi.

 

Ökotourismus am Ende der Welt

Ohne auf einen ordentlichen Berg gestiegen zu sein, wollte ich  Fiji natürlich  nicht verlassen. In einem Reiseführer hatte ich von einem preisgekrönten  Öko-Tourismus-Projekt gelesen, einem Gebirgsdorf, das sich dem Wandertourismus verschrieben hat. Eine gute Idee, aber seit der Preisvergabe vor einigen Jahren hatte sich schon längst die Decke des Vergessens über dieses ehrgeizige Vorhaben  gebreitet. Keine einzige Antwort auf diverse Mails, keine funktionierende Telefonnummer, kein Autobus in die Berge. Schließlich fand ich nach einiger Sucherei einen Taxifahrer mit Allrad, der sich gefreut hat, endlich einmal wieder die holprige Schotterstraße nach Abaca in Angriff nehmen zu können.

 

Oben angelangt ein Empfang wie beim Staatsbesuch: Händeschütteln und Fotos mit der halben Bevölkerung und  auch ein „Bergführer“ war schnell gefunden. Die Wanderwege im Wanderdorf sind nämlich nicht markiert, ohne Führer wäre man verloren. Mit dem Burschen hatte ich Glück. Im Gegensatz zur letzten Bergtour raste er nicht im Eiltempo bergauf und wusste als Wirtschaftsstudent (es waren gerade Ferien) auch viel Interessantes über Fiji zu erzählen. Die Landschaft war herrlich, der Weg heiß und steil, aber ich wollte  mir keine Schwächen anmerken lassen. Als der Guide nach zwei Dritteln der Strecke meinte „Hier wird es den australischen Touristen meistens zu viel, hier drehen sie um“ wurde mein Ehrgeiz natürlich angestachelt und ich ging umso entschlossener weiter. Es hat sich gelohnt. Im letzten Waldstück war es nicht nur schattig, wir sahen auch Papageien rund um uns flattern und genossen die verdiente Jause direkt vor einem spektakulären Abgrund, der mich beim Gipfelfoto sehr vorsichtig reagieren ließ.

Der Abschied

Zurück an der Küste war sie wieder da, die Beklemmung, wie das Leben ohne Yin Yang sein würde und ob sie für den neuen Besitzer wohl gut genug herausgeputzt sei.

 

Und dann war er da, der Tag X, die Ankunft der neuseeländischen Familie. Wir waren bereits am Tag davor in einen Bungalow umgezogen, Übergabe und Erklärungen sollten recht schnell vor sich gehen, denn die durchgefrorenen Kiwis wollten schnellstens Richtung Sonne, Sand und Inseln aufbrechen. Eine Probefahrt genügte – zum Glück bei idealen Bedingungen – und wir konnten unserer Yin Yang nur mehr von der Bar aus beim Auslaufen  zuschauen. Etwas betreten haben wir uns umgedreht, noch ein Bier getrunken und versucht, in die Zukunft zu schauen.

 

 

 

Der Coronaschlaf der neuen Hebriden

Diese Zukunft bestand erst einmal aus einem Urlaub in Vanuatu. Vanuatu, in Kolonialzeiten „neue Hebriden“ genannt,  ist ein sehr interessanter Inselstaat mit ungewöhnlichen indigenen Kulturen. Wir hatten uns vorgestellt, dass wir auf den verschiedenen Inseln deren Tänze, Feste und Rituale miterleben könnten. Außerdem stand der Mount Yasur auf dem Programm, ein Vulkan, der seit 800 Jahren ständig aktiv ist und relativ leicht besichtigt werden kann. Aber leider, Corona hat auch hier unsere Pläne durchkreuzt. Wir trafen kurz nach der Grenzöffnung ein und die touristische Infrastruktur war noch nicht wirklich zum Leben erwacht.

 

Im Mai hatten wir in der Marina den österreichischen Konsul kennen gelernt, er konnte uns in einem seiner Resorts in der Hauptstadt, Port Vila, unterbringen. Seine anderen Hotels waren noch geschlossen, und zwar aus Personalmangel. Während der Coronazeit waren viele im Tourismus Tätige nach Australien gegangen – hauptsächlich zum Obstpflücken – und wegen des Verdienstes dort geblieben. Viele touristische Highlights blieben deshalb geschlossen. Vor allem gab es keine Flüge zu den Inseln, das war unsere größte Enttäuschung. Auch der gut vernetzte Konsul konnte uns nicht helfen, Vanuatu lag noch im Coronaschlaf. 

 

Immerhin haben wir es geschafft, den Vulkan zu sehen. Eine Stunde Flug mit einer kleinen Cessna nach Tanna,  mit Blick in den Vulkan von oben, dann eine Inselüberquerung per Jeep, Auffahrt zum Berg und schließlich ein kurzer Aufstieg in der Dämmerung an den Kraterrand, um in den Höllenschlund zu blicken. Nach einer Übernachtung in einem sehr schönen Hotel ging’s wieder zurück in die Hauptstadt Port Vila. 

 

Leider ist es uns nicht gelungen, noch eine andere Insel zu besuchen. Zum Glück gibt eine Familie, die von einer der einsamen Inseln stammt und in Port Vila eine Art Heimatmuseum betreibt. In Vor-Corona-Zeiten wurde dort den Kreuzfahrtpassagieren die Kultur und Geschichte der Ureinwohner nahe gebracht. Mangels irgend welcher anderen Touristen hat man nun die gesamte Präsentation nur für uns beide organisiert – mit Kostümen, Tänzen und vielen interessanten Erklärungen über das Leben auf den Inseln in früheren Zeiten. Wir waren erst skeptisch, man will ja nicht in einen Topf mit den ‚Kreuzfahrern‘ geworfen werden, die Vorführungen haben uns schließlich aber sehr begeistert. 

 

Links und rechts in der Südsee

Über mehrere Ecken konnten wir uns dann noch einen Guide organisieren, der uns rund um Port Vila alles gezeigt hat, was gerade nicht wegen Corona geschlossen war. Nicht nur sein nigelnagelneuer SUV hat uns beeindruckt, auch seine Schilderungen über Vergangenheit und Gegenwart von Vanuatu und seine offene Art haben uns gefallen, sogar einen kleinen Kochkurs hat er mit uns gemacht, um uns ein wenig aufzuheitern.

 Vanuatu wurde jahrzehntelang gleichzeitig von Frankreich und England verwaltet. Zu Beginn der Motorisierung in den zwanziger Jahren  war das im Straßenverkehr nicht ganz problemlos, denn die Engländer fuhren links, die Franzosen rechts….. Geblieben ist aus der Kolonialzeit die Esskultur Frankreichs (Baguettes und gute Restaurants) und die Disziplin der Engländer (kein Drängeln beim Anstellen). Ein Glück, dass es nicht umgekehrt war!

 

Es hätte ein schöner Urlaub werden können – nur der Zeitpunkt hat einfach nicht gepasst.  Da wir aber vermutlich nie mehr in diese Ecke der Welt kommen werden, wollten wir die Gelegenheit nicht versäumen.

 

 

 

 

Ende der Exotik – oder doch nicht?

Ein Woche Singapur auf dem Weg nach Hause hat unsere Reisetätigkeit für heuer beendet. Doch Singapur ist ein anderes Kapitel. Gerne mehr darüber persönlich, falls es jemanden interessiert.

Nun sind wir seit ein paar Wochen daheim, wo es zwar nicht so exotisch, aber doch recht gemütlich ist. Das Segelboot in Ottenstein freut sich in der Halle auf den nächsten gemeinsamen Sommer  und wer weiß, vielleicht wartet irgendwo ein Boot auf uns, das in einer passenden Winterurlaubsgegend daheim ist und noch gefunden werden will.  Auf den entsprechenden Internetplattformen kennen wir uns ja jetzt aus.

 

Die Yin Yang steht seit Ende Oktober in Neuseeland in Whangarei in der Marina und freut sich auf eine sportliche Sommersaison. Ob sie uns vermisst?


Fiji/Yasawas, 12.Juni 2022

MEER STATT MARINA, KAVA STATT BIER

 

Alles wird besser - zwar nicht die globale Lage, aber in unserer kleinen Fiji-Segel-Welt haben wir das Licht am Ende des Tunnels erlebt und können nun endlich, wie auch die anderen „ Corona-Lockdown-Bootsbesitzer-Opfer“  das Schiff nicht nur reparieren und putzen, sondern auch nutzen. Der Weg dahin war lange genug.

Endlich im Wasser

 

 

Lack perfekt und glänzend, Unterwasseranstrich trocken, Wassergenerator montiert, Bugstrahlruder ausgebaut, überprüft und Öl gewechselt, dann wieder eingebaut, Propeller auf Hochglanz gebracht - endlich konnten wir für den 19. Mai einen Termin für den Travellift vereinbaren. Aber nur, um uns in die nächsten Arbeiten zu stürzen. Die haben allerdings  wesentlich mehr Freude gemacht als die Schufterei am Trockendock. Denn erstens waren wir den Bungalow los, wo unsere Nachtruhe ständig durch die nahe Straße und die stimmgewaltigen Nachbarhunde gestört wurde, und zweitens ließ die Situation Hoffnung für ein normales Seglerleben aufkeimen.

Energiegeladen (nicht zuletzt durch die üppigen Halbpreis-Pizzaabende in  der Bar) machten wir uns ans Werk:

    Segel anschlagen und Leinen einziehen

    Windmesser auf beiden Masten in luftiger Höhe befestigen

    Dabei das Rigg überprüfen

    Küche putzen

                                                                                    •    Deck reinigen

                                                                                    •    Cockpit putzen und polieren

                                                                                    •    Beiboot und dessen Motoren checken. Ergebnis: die                                                                                                                      Außenborder müssen zum Service und das Dingi                                                                                                                          verliert Luft.

 

                                                                                     •    Die Gangway-Hydraulik funktioniert zwar, kann aber                                                                                                                    unseren ‚ästhetischen Ansprüchen‘ nicht mehr                                                                                                                              genügen- also komplett entrosten und neu lackieren.

Und schließlich steht Einkaufen für ein paar Wochen Inselhüpfen auf dem Programm.Das erledige ich mit größtem Vergnügen, ich shoppe gerne, vor allem im Ausland, wo so Vieles neu ist. Die meisten Markenprodukte kommen hier aus Australien und sind  deshalb genauso teuer wie bei uns, aber einheimisches Obst und Gemüse am Markt ist günstig. Etwas Besonderes war der Kauf von  Kavawurzeln. Für sie ist eine extra Ecke am Markt reserviert. Man (sprich: hauptsächlich die Touristen) benötigt sie als Gastgeschenk, wenn man ein Dorf besuchen will. Dabei darf man sich nicht lumpen lassen, sonst wäre der Ruf des Heimatlandes ruiniert. Das konnten wir Österreich nicht antun und erstanden deshalb große, schön mit Bändern umwickelte                                                                                                                                  Bündel. 

 

 

Nach 10 Wochen raus aus der „Blase“

 

Derart ausgerüstet ging‘s ans Abschiednehmen in der Marina. Inzwischen  gab es fast kein Boot mehr, das nach der Covid-Zeit noch unbemannt und  ungeputzt herum stand. Dazu trafen täglich Schiffe aus Neuseeland und Tahiti ein, gleichzeitig verabschiedeten sich diejenigen, die bereits fertig für ihren Segelurlaub waren. Ein Kommen und Gehen. So war es auch in unserem Umfeld. Wir lernten Jörg kennen, den österreichisch/deutschen Honorarkonsul in Vanuatu, unserem nächsten Ziel. Heinz aus Berlin (aus der Amel- Familie, gleicher Bootstyp wie wir) traf mit zwei Freunden ein und unsere monatelangen Leidensgenossen  Günter und Regina verabschiedeten sich in Richtung Neukaledonien.

 

Zeit für uns, die Segel zu setzen bzw in diesem Fall, den Motor zu starten, um endlich Urlaub zu machen.

Malolo Lei Lei

 

Als wir vor Jahren diesen Namen in einem Seglerbericht gelesen haben, erschien vor unserem geistigen Auge  aufgrund des exotischen Namens  - nein, nicht der Villacher Fasching - sondern eine abgelegene, einsame, menschenleere Südseeinsel. Südseeinsel können wir bestätigen, aber abgelegen und einsam ist sie nicht. Malolo Lei Lei ist die erste Anlaufstelle für die Segler aus unserer Marina, ein sehr schönes, großes, seglerfreundliches Resort mit einem riesigen Ankerplatz. Es gibt eine romantische Bar extra für die Yachties, Pool, Wassersport und Shop. Der Urlaub konnte beginnen.

Nein, halt: das Beiboot musste erst 100% dicht gemacht werden. Andreas, der Tausendsassa an Bord bei Heinz, kam mit einem Spezialkleber angerauscht und legte Hand an. Da das noch nicht genug Herausforderung für ihn war, polierte er auch noch unsere Cockpitscheiben mit einer Profi-Polierpaste. So ist das eben unter Seglerfreunden und vor allem in der Amel- Familie.

Viele Boote bleiben lange in Malolo Lei Lei liegen, um die Annehmlichkeiten ( Pool, Spa, Yoga) zu nutzen, aber wir wollten weiter zu den Mamanucas und Yasawas, wir waren einfach zu neugierig.

 

 

Mamanucas und Yasawas

 

Die beiden Inselgruppen sind die wichtigsten Tourismusregionen Fijis, vor allem die Mamanucas. In Festlandnähe (die  zwei großen Inseln Fijis werden hier als „Festland“ bezeichnet), nahe des Flughafens, hat sich eine Infrastruktur so ähnlich wie auf den Malediven entwickelt - pro Insel ein Hotel bzw pro Hotel eine Insel. Hier sind vor allem  die großen internationalen Hotelkonzerne vertreten und man sieht häufig Hubschrauber, die die Gäste vor Ort bringen. Die Yasawas hingegen sind größere Inseln, etwas weiter weg vom Festland. Hier gibt es normales Alltagsleben in den kleinen Dörfern. Die Yasawas sind vulkanischen Ursprungs und daher zum Teil recht fruchtbar. Die Bewohner leben von der Landwirtschaft, vom Fischen und von den vereinzelten Resorts, die hier eher auf Öko- und Backpackertourismus eingestellt sind.

 

Zum Segeln sind die beiden Inselgruppen nicht unkompliziert. Die Gegend ist gespickt mit Riffen und das Kartenmaterial ist nicht besonders genau. Wir haben zwar ein „vorausschauendes Echolot“, das uns die Tiefen der nächsten 120 Meter anzeigt, aber trotzdem ist immer viel Aufmerksamkeit gefragt. Da geht nix mit Lesen während der Fahrt. Wobei die Fahrt bis jetzt meist mit Motor erfolgt ist,  denn die Passagen durch die Riffe sind zum Teil recht eng. Außerdem lässt der passende Wind ohnehin zu wünschen übrig.

Sevusevu

 

Hochmotiviert und voller Erwartung steuerten wir unsere erste Bucht an. Malerisch und von hohen Bergen umgeben, brachte dort der Schwell  das ankernde Schiff so zum Schaukeln, dass sowohl die Berliner als auch wir keine Lust hatten, an Land zu gehen. Wir beschlossen, gleich am nächsten Morgen weiter zu fahren. Sevusevu also verschoben, obwohl wir schon vor Neugierde fast platzten.

 

 

Was ist Sevusevu nun eigentlich? Es handelt sich um ein Begrüßungsritual. Ein Dorf und seine Umgebung gehört der Gemeinschaft, der (trotz Demokratie in Fiji) ein Chief vorsteht. Und so, wie man bei uns daheim auch nicht einfach in einen fremden Garten reingehen kann, muss man hier fragen, ob man das Dorf betreten darf. Dafür muss man einen Bund Kavawurzeln mitbringen, der dem Chief präsentiert wird. Der spricht dann in seinem Dialekt Dankesworte und Willkommensgrüße aus und erklärt auch gleich, was das Dorf alles so zu bieten hat. Wenn während des Aufenthalts Kavagebräu zubereitet wird, ist man auch zum Verkosten eingeladen. Bei der ganzen Sache hat man laut Wikipedia auf Einiges zu achten: Frauen dürfen keine Hosen oder ärmellose Kleidung tragen und Kopfbedeckungen sind im Dorf tabu. Beim Kavatrinken dürfen nur Männer teilnehmen und  angeblich gibt es auch  noch andere strenge Regeln, wie  zB, dass man sich dem Chief nur kniend nähern darf und sich ebenso zurückziehen muss, aber das dürfte wohl veraltet sein, denn in der Realität spielt sich alles recht locker ab. 

 

 

Volle action in Nawaulaki

 

So auch bei unserem Besuch in Nawaulaki.  Wir  durften uns bei einem redegewandten Herren auf die Matte setzen, der uns gleich das optimale Touristenprogramm präsentierte: Heute Spaziergang zum Wasserfall, morgen um 7 Uhr Bergtour, ab 14 Uhr Kavatrinken, anschließend Tanz- und Singvorführung, dann Handwerksmarkt, in der Nacht Langustentauchen (das überließen wir den Berlinern alleine).

Ein tüchtiger Chief, der alle Register zieht. Ob er auch die Delphine für uns organisiert hat, die uns bei der Einfahrt in die Bucht begrüßten, wissen wir nicht. Zwei große Gruppen umschwirrten die beiden Yachten und blieben während des ganzen Aufenthaltes in unserer Nähe. Die Begegnung mit Delphinen geht einem immer zu Herzen - sie scheinen sich wirklich über Schiffe zu freuen, sie spielen und tanzen vor dem Bug, man hat den Eindruck, sie freuen sich, wenn Besuch kommt. Lange genug durften sie ja keine Segelboote begrüßen.

 

Eine Bergtour in der Südsee ist immer eine unberechenbare Angelegenheit, das hatten wir schon in Tahiti gelernt. Diesmal war es das Tempo des Führers, das uns zuerst staunen und dann verzweifeln ließ. In Socken sauste er den steilen Berg hinauf, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Eigentlich ein Kompliment, dass er uns so sportlich eingeschätzt hatte, ist unser ungefähres Alter doch klar ersichtlich. Für mich war es besonders blöd: Gegenüber den vier Männern, alles Flachländer, wollte ich mich nicht blamieren, musste aber dann doch nach der Hälfte klein beigeben und langsam hinterher latschen.

Auch die Berliner gestanden schließlich, dass sie mehr als gefordert waren. Aber der Ehrgeiz führte halt dazu, dass sich keiner beim Führer beschweren wollte! Der Blick von oben und das anschließende Kava- Trinken stimmte uns aber wieder recht friedlich. Unsere mitgebrachten Wurzeln wurden von jungen Männern (abwechselnd, das ist sehr anstrengend) mit einem riesigen Metallmörser zerstampft und dann in einem Stoffsack gewässert. Dieser wiederum wurde immer wieder fest in die Kavaschale ausgedrückt und fertig war das pazifische Genussmittel. Der Genuss hält sich zwar für Unsereinen in Grenzen, aber die Zeremonie macht Spaß. Erst kommt eine Dankesrede, dann wird ausgeschenkt. Es gibt für alle nur eine einzige gemeinsame Schale, man kommt der Reihe nach dran. Man muss klatschen, die Schale nehmen, auf ex trinken, dann dreimal klatschen. Da darf man auch in Corona-Zeiten nicht zickig sein, bei Kava hören sich alle Hygienemaßnahmen auf.

 

Eindrucksvoll wie immer in der Südsee waren anschließend Gesang und Tanz. Sowohl Polynesier als auch Melanesier scheinen einfach besonders musikalisch zu sein. Trotz sichtlicher Minderbegabung wurden auch wir zum Tanzen aufgefordert. Dabei muss man wissen, dass wir beide sehr ungern tanzen. Zum Glück hatte ich einen recht attraktiven Tanzpartner, der das Dilemma etwas mildern konnte.

 

 

Next stop Mantas

 

 

Mit Mantas zu schwimmen ist wohl der Traum jedes Meeresliebhabers. Also machten sich  Yin Yang und die Berliner Quetzal auf den Weg zu einer Insel, wo es zwischen Juni und August viele Mantas geben soll. Zwei Ressorts dort leben von diesem Ruf, Ausflugsboote fahren hin und alle sind höchst aufgeregt. Sobald sich ein Hotelbötchen  oder ein Beiboot einer Yacht  der besagten Stelle nähert, glauben alle, diese wüssten mehr und springen in ihre Boote. Wir auch. Dort, wo die Mantas sein sollen, trifft man sich dann wieder und schaut sich gegenseitig fragend an. Jedenfalls hat in den drei Tagen, als wir an diesem Ankerplatz waren, niemand etwas gesehen. Was man den Mantas nicht zum Vorwurf machen kann. 

 

 

Somosomo

 

Da unser deutsches Schwesterschiff wegen der Heimflüge von zwei Crewmitgliedern etwas unter Druck stand, trennten sich nun unsere Wege und wir schalteten herunter auf Bummel-Modus. Warum nicht einfach ein Dorf zwei Inseln weiter besuchen, das weder berühmt noch spektakulär ist? Somosomo sollte es sein, der Name klingt sympathisch und die riesige Bucht schien genügend tiefe Stellen zum Ankern zu haben. Wir wurden nicht enttäuscht. Gewappnet mit einem repräsentativen Kavabündel betraten wir das Dorf und wurden sofort von zwei Inselschönheiten (wirklich) an einen Platz geführt, wo eine Männerrunde auf einer Plane in der Wiese beim Kavatrinken saß. Da kamen wir mit unserem Geschenk gerade recht. Eine herzliche  Willkommensrede (glauben wir jedenfalls, sie war im Inseldialekt gehalten) anhören, jedem Einzelnen die Hand schütteln ( in diesem Dorf gab es besonders viele Coronafälle, habe ich nachher gelesen) und schon wurde eingeschenkt. Klatsch, schlürf, schluck, klatsch klatsch klatsch, wir sind inzwischen schon Profis. Der Grund für diese gemütliche Freitagnachmittagsrunde  war ein erfolgreiches gemeinsames und sichtbar gründliches Saubermachen des Friedhofsgeländes. Bei uns trifft man sich bei so einer Gelegenheit auf ein paar Bier am Stammtisch - wie sich doch manchmal die Welten gleichen! Wir hatten hier wirklich Glück, in so eine authentische Runde zu geraten und waren begeistert, dass die Herren sogar wussten, was und wo Austria ist und auch sofort auf aktuelle weltpolitische Themen  zu sprechen kamen. A propos Herren: In der Runde waren auch zwei Damen, was es laut Wikipedia nicht geben darf; auch sahen wir niemanden  vor dem Chief auf Knien rutschen. Alles easy - Kava wirkt schließlich berauschend und beruhigend.

Ein Spaziergang durchs 400 Einwohner-Dorf mit vielen freundlichen „bula“- Rufen führte uns vorbei am Dorfgong, mit dem die Leute früher zu Versammlungen gerufen wurden (heute gibt es eine Somosomo Facebook-Gruppe) zu einer der drei Kirchen, in der gerade Gottesdienst war und wunderschön gesungen wurde. Komischerweise stand der Priester -in Anzug und Krawatte- nicht am Altar sondern vor seinem an einem Tisch sitzenden Schriftführer. Der notierte eifrig Namen und Summen der Spenden, die ihm während des Singens gebracht wurden. Da spendeten wir natürlich auch und wurden dafür mit Applaus bedacht. Der Wert der Scheine, die da vor uns bereits am Tisch lagen, ließ uns in letzter Sekunde zu einer größeren Banknote als geplant greifen und gerade noch die Kurve kratzen. Unglaublich, wie fest verankert die Kirche (in diesem Fall Methodisten) hier  ist. Die Leute verdienen wenig aber geben viel. Vor allem auch Freundlichkeit!

 

Heute ankern wir noch ganz alleine in dieser großen Bucht und morgen steuern wir ein Kontrastprogramm an, nämlich den  Ankerplatz, wo der 80iger-Jahre Kitschfilm „die blaue Lagune“ gedreht wurde. Wir können jetzt schon im Internet sehen, dass dort viele Yachten liegen, denn das Resort an diesem Platz soll sehr angenehm sein, mit Ausflugsangeboten, Massagen, Restaurant usw. Mal sehen, wie uns das gefällt. Etwas Zeit haben wir ja noch, bevor wir unsere Weiterreise planen und wieder in die Marina zurück fahren müssen.

 

 

 

 

Fiji, 28. Mai 2022

 

Am 10. Mai geschrieben - am 28. Mai veröffentlicht - leider hat der Laptop Probleme gemacht und wir konnten diesen Bericht erst heute auf der Homepage posten. Die Situation ist nicht mehr ganz aktuell, das Schifft ist inzwischen im Wasser, ein neuer Bericht folgt demnächst!

 

WORK IN PROGRESS

 

 

Die Inflation steigt, der Krieg nimmt kein Ende, die Regierung wird umgebildet…und wir hier in unserer kleinen Marinawelt in Fiji haben keine anderen Sorgen als die Farbe unseres Schiffs und die Verkabelung von Ladegerät, Inverter und Wassergenerator. So mag es ausschauen - aber wir sind froh, in den letzten Wochen durch viel Arbeit und viel Ärger abgelenkt worden zu sein. Vielleicht freuen wir uns auch schon ein wenig darauf, künftig nicht ständig perfektes Internet zu haben und nicht alles sofort  und ausführlich zu erfahren.

Erstens kommt es anders…und zweitens…ja, die Yin Yang könnte eigentlich schon im Hafenbecken der Marina liegen und für die nächste Reise verproviantiert werden,  aber wir haben beschlossen, ihr vorher noch eine Schönheitskur zukommen zu lassen. Das hat sie sich schließlich verdient, weil sie die Zeit der Einsamkeit so tapfer überstanden und kaum Reparaturkosten verursacht hat. Als Belohnung, so hat sie ihrem Besitzer leise zugeflüstert, wünsche sie sich eine Neulackierung des Rumpfes. Dieser Wunsch war ganz im seinem Sinne und der Kontakt zur Lackierfirma, die hier in der Marina tätig ist und von allen gelobt wird, war rasch hergestellt. Während wir oben am Schiff mit Technik und staubigen Ecken beschäftigt waren, wurde unten am Rumpf wochenlang geschliffen, gespachtelt, gekittet, Unebenheiten ausgeglichen, wieder gespachtelt, getrocknet, geschliffen. Man würde es nicht glauben, aber vier Mann waren dabei mindestens zwei Wochen beschäftigt, haben sich richtig reingehängt und kaum Pausen gemacht, denn Vorbereitung ist beim Lackieren schon die „halbe Miete“. Die andere Hälfte der Miete, das Lackieren, hatte es dann aber in sich. Vier Versuche waren notwendig, bis  jetzt endlich alle Beteiligten nervlich wieder hergestellt sind.

Erster Versuch: Leo, der Lackierer (die Namensgleichheit kann nur ein gutes Zeichen sein) legte los. Als die Trocknungsphase begann, zeigten  sich Bläschen. Also alles abschleifen, glätten, reinigen.

Zweiter Versuch: Zur Abwechslung diesmal überall rauhe, stumpfe Flecken. Der Hersteller des Lacks, eine lokale Fabrik, wurde herbei zitiert. Verkaufsleiter und Marketingchef nahmen sich der Sache an - ich konnte das Resultat schon riechen. Sie behaupteten, die Schuld könne nur beim Lackierer liegen, er gehe zu nah ran oder zu weit weg, arbeite in einem falschen Winkel oder falschem Tempo, mit zu viel oder zu wenig Härter.  Das ließ Leo, der Lackierer, nicht auf sich sitzen und drückte dem Marketingleiter die Spritzpistole in die Hand, „dann zeig‘ mir, wie man es richtig macht“.

Dritter Versuch: Alle warteten gespannt auf des Schreibtischtäters Umsetzung der Theorie in die Praxis. Kurz gesagt, es ging schief, und der Lackierer war rehabilitiert. Noch einmal abschleifen, glätten, reinigen.

Die Farbenfirma schmollte gekränkt und verweigerte die weitere Kooperation bei der Lösung des Problems. Da wir als Auftraggeber aber auch nicht schuld sind, mussten  wir Mohit, den Besitzer des Lackierbetriebs, in die Pflicht nehmen. Ein andere Lackmarke musste her, und zwar eine international anerkannte, die entsprechend auch „ International“ heißt. Sie kostet das Doppelte, was Mohit schließlich zu schlucken hatte. Aber auch wir sind frustriert, denn unser original-Amel-Farbton ist hier nicht zu haben. Wir müssen uns mit strahlendem Weiß abfinden. Klingt lächerlich, dass man sich darüber ärgert, aber die Amel- Gemeinde ist halt sehr traditionsbewusst. Doch  ich glaube, wir werden es aushalten, wenn wir uns beim jüngsten Gericht vor Henri Amel rechtfertigen müssen!

Vierter Versuch: Gestern wurde - nach nochmaligem Grundieren, Anschleifen und Reinigen, wieder lackiert. Gegen Abend wurde die blaue Zeltabdeckung wie bei einer Denkmalenthüllung abgenommen - und beide Leos sowie die Mannschaft strahlten mit der glänzenden Oberfläche um die Wette. So glatt kann es laufen!

Übrigens: Den Lack aus der lokalen Produktion kann man nicht von vorne herein verteufeln, in der Marina stehen viele Schiffe, die mit diesem Produkt lackiert sind und tadellos aussehen. Da ist

 

wohl eine Charge bei der Produktion daneben gegangen. Aber das sollte man auch eingestehen können, liebe Herren Verkaufs- und Marketingleiter!

Aus dem Seglerleben in Krisenzeiten

 

Langsam beginnt hier die Saison und in der Marina wird es lebhaft. Fijis Grenzöffnung und der Einzug des Winters in Neuseeland und im Süden Australiens bringt die Besitzer wieder zu ihren Booten  zurück. Auf den mehr oder weniger gepflegten Lieblingen werden die Spuren  von zwei Jahren Einsamkeit  beseitigt. Es wird geschraubt, geschliffen, geputzt, eingebaut, ausgebaut, lackiert, geflucht, montiert und gelacht. Gelacht allerdings mehr von den einheimischen Arbeitern als von den Yachtbesitzern. Auch, wenn sie von den Krisenzeiten nicht verschont werden, haben sie eine andere Mentalität.  Fröhlichkeit und Sangeslust sind hier eine Grundeinstellung. Die Zimmermädchen singen sogar beim Kloputzen, Taxifahrer summen ungeniert den  Fiji-Pop aus dem Radio mit und auch der Friseur hat bei meinem Haarschnitt eine halbe Oper untergebracht. Wenn sie nur alle den Mund auch beim Reden so weit aufmachen würden wie beim Singen! Auch viele wichtige Dinge werden hier leise und mit fast geschlossenen Lippen kommuniziert. Was zur Folge hat, dass wir ständig nachfragen müssen und uns ziemlich blöd vorkommen.

 

Auch mit den Seglerkollegen aus Down Under und NZ ist die Unterhaltung nicht ganz einfach. Nach ein paar Bier an der Bar glaubt man zwar, den Akzent nun endlich besser zu verstehen, am nächsten Tag beginnt man aber wieder von vorne. 

Freundlich sind sie alle, aber bei manchen dieser Kapitäne würde man doch ganz gerne die Hintergrundgeschichte kennen. Und zwar von den Eignern einiger vernachlässigter Ruinen-Schiffe, die offensichtlich hier  hängen geblieben sind - mit oder ohne Besitzer. Das ist eine ausweglose Situation, denn das Entsorgen so eines Gefährts kostet ein Vermögen und die Stellplatzmiete in der Marina ist auch nicht ganz billig. Kommen dann vielleicht noch altersbedingte gesundheitliche Probleme und Geldprobleme dazu, dann wird es aussichtslos. Die Coronajahre  haben die Situation für diese (in allen Marinas der Welt existierenden ) verunglückten Aussteiger noch verstärkt.  

Aber auch von einigen gestandenen ‚soliden’ Skippern hört man, dass Corona ihre Lebens- und Segelplanung erschüttert hat. Ein holländisches Paar zum Beispiel wollte Anfang 2020 am Weg nach Hause noch einen Vietnam-Urlaub einschieben und wurden dort von den Grenzschliessungen erfasst. Schliesslich mussten sie bis April 2022 in Vietnam leben. Dann wollten sie sich als erstes sofort ums Schiff hier in Fiji kümmern und fanden es voller Kakerlaken vor.

Nicht nur Covid, auch der Krieg in der Ukraine bleiben in dieser abgelegenen Ecke der Erde nicht ohne Folgen. Diese Woche werden die Brotpreise um bis zu 50% angehoben und ein Dieselpreis von ca 1,30€  (Steigerung seit Jänner 30%) läßt auch hier die Inflation auf über 5% steigen.

 

 

Leben in der „Blase“

 

Yin Yang wird noch für ein paar Wochen in der Marina bleiben.

 

Nach zwei Monaten geht einem das Leben in der „Blase“ aber schon ein wenig auf die Nerven. Mit Bus oder Taxi in die Stadt zu fahren und dort diversen Werkzeugen und Kabeln nachzujagen, erlebt man schon als denkwürdiges Ereignis. Die Marina selbst ist mit vielen Pflanzen und der stimmungsvollen Bar sehr schön gestaltet, aber die nähere Umgebung bietet nur eine Raffinerie und eine Abfüllanlage für Gas, beides nicht so wirklich geeignet für Freizeitaktivitäten. Nicht, dass wir so viel Freizeit übrig hätten, aber manchmal wünscht man sich eine Abendgestaltung, die über das wöchentliche Krabbenrennen in der Bar hinaus reicht…. Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Vor ein paar Wochen hatten wir immerhin die Gelegenheit, mit einem Nachbau eines traditionellen pazifischen Segelboots eine Ausfahrt zum Sonnenuntergang zu buchen. Der Verein will bei der Jugend Fijis Interesse für die Fähigkeiten ihrer Vorfahren wecken, die ja geniale Seefahrer waren. 

Weniger bildend aber optisch auch recht ansprechend  sind die  samstäglichen Fiji-Tanzshows in einem Hotel in der Nähe. Die DarstellerInnen lassen sowohl männliche als auch weibliche Herzen höher schlagen. Auch das Restaurant dort ist brauchbar und man freut sich über die Abwechslung, denn in unserer Bar haben wir die Speisekarte schon ein paarmal rauf-und runter gegessen. Und kochen können wir in unserem Bungalow nicht. 

Meist gehen wir mit unseren Schwarzwälder Leidensgenossen Regina und Günter zum Essen und seit hier wieder mehr los ist, wird auch die Gruppe der Europäer größer und die Personenzahl für unsere Tischreservierungen wächst von Tag zu Tag. Die Mediatheken von ORF, ZDF und ARD  müssen nun nicht mehr alleine für unsere abendliche Unterhaltung sorgen. Zu bereden gibt es mit den Kollegen bei „Fiji gold“ (Bier) und australischem Wein genug. So unbeschwert wie früher ist die Atmosphäre unter den Seglern 2022 aber nicht mehr. Krieg und Corona liegen wie ein Schatten über der sonst so unternehmungslustigen und selbstsichereren Meute.

 

Aber wir nehmen uns die Fijianer zum Vorbild und jammern nicht, denn der Pazifik ist immer noch blau und hat 29 Grad und es schaut so aus als ob wir bald wieder einmal in einer einsamen Bucht entspannen könnten. Vorher muss aber die Yin Yang noch aus ihrer Grube geholt werden. Dazu demnächst mehr.

 

 South Pacific!

 

Fiji   -   30.03.2022

 

Müh und Plag vor

Südseefreuden

 

 

Wir haben es geschafft! Dank der absurden Corona Politik, deren langer Arm sich bis Fiji erstreckt, erhielten wir Österreicher Anfang Februar, exakt am Tag der höchsten Inzidenz seit Beginn der Pandemie, die Erlaubnis, wieder in Fiji einzureisen. Also Flug für Mitte März gebucht und eingetaucht in die Herausforderungen der Bürokratie. Onlineformulare in verschiedenen Varianten, eine spezielle Covid-Krankenversicherung, Quarantänehotel für drei Nächte nach Vorschrift reserviert und bezahlt, sogar das Taxi vom Flughafen musste zertifiziert und vorher gebucht sein. Die Ablehnung von Poldis  ESTA ( fürs Umsteigen Los Angeles) hielt uns ein paar Tage auf Trab.  Wir dachten schon an eine Umbuchung über Asien, am Ende  hat es aber doch noch geklappt. Knapp vor der Abreise trieben der PCR-und Antigen-Tests  (extra für die USA) den Blutdruck noch einmal in ungeahnte Höhen. Schließlich ist alles gut gegangen und die 33-stündige Reise verlief glatt und ohne unangenehme Kontrollen.

 

Mit dem Quarantänetaxi ins Quarantänehotel gebracht, eröffnete man uns dort zu unserem Erstaunen, wir könnten  während der Quarantäne tun und lassen, was wir möchten und uns frei bewegen.

Bewegen wollten wir uns aber erst einmal ohnehin nicht und fielen statt dessen in einen 17-stündigen Schlaf. Dann aber, dankbar für diese unverhoffte Variante der Quarantäne, machten wir uns im strömenden Regen auf den Weg in die nahe gelegene Marina. Ein Fläschchen Sekt bei Günter und Regina, die es dank einer alten Einreiseerlaubnis schon lange vor uns nach Fiji geschafft hatten, machte uns Mut, den Tatsachen ins Auge zu sehen und die Yin Yang in Augenschein zu nehmen. Seit 2 1/2 Jahren döste sie auf der matschigen Wiese neben vielen anderen  Schiffs-Leidensgenossen  in ihrer zyklonsicheren Grube traurig vor sich hin.

 

Ein erster optischer Check  fiel nicht allzu schlecht aus. Von der Warte des Skippers aus war erst einmal klar, dass Elektrik und Hydraulik funktioneren. Die Hausfrau war erleichtert, dass sich  weder Schimmel noch Insekten oder andere Tierchen im Inneren breit gemacht hatten. Nicht einmal Müffelgeruch war zu verzeichnen, obwohl es seit Dezember regnet.

 

 

 

Am Ende unserer Quarantäne im Hotel wurden wir nach einem Antigen-Test, dessen Durchführung in seiner Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Dauer einer Herzoperation in Europa glich, feierlich aus dem Hotel entlassen und durften unser Cottage im Marinabereich beziehen.

 

 In den letzten Tagen gab‘ s also schon Arbeitsalltag auf dem Boot. Poldi ölverschmiert schwitzend im Motorraum, und ich nach Putzmittel riechend schwitzend im Innenraum. Dass man so schwitzen kann, hatten wir ganz vergessen. Inzwischen regnet es zwar seltener, aber die Luftfeuchtigkeit ist enorm. Dieser Unterschied zur Trockenheit daheim macht dem Kreislauf ordentlich zu schaffen. Ganz abgesehen davon, dass die Gelsen Feste feiern. Pfützen rundherum und frisches europäisches Blut unter weisser Haut verwandeln die Yin Yang in ein Moskito- Wellnessparadies. Wir sprühen uns zwar häufig mit Autan ein aber in wenigen Minuten ist alles weggeschwitzt.

Desgleichen mit dem Sonnenschutz. Ich möchte meinen strengen österreichischen Hautarzt sehen, wie er dieses Problem hier löst. Der 50iger -Faktor ist in ein paar Minuten vom Schweiß aufgelöst und bedeckende Bekleidung ist kaum auszuhalten. Sogar Poldi sah nach dem Deckwaschen aus wie ein Krebs, was bei ihm ja selten vorkommt.

 

Also ist heute  ein Ruhetag angesagt, teils im Bungalow mit Klimaanlage, teils in der herrlichen gelsenfreien Brise auf den Terrassen von Cafe und Restaurant. Da kann man Kraft schöpfen für die weiteren Reparatur- und Putzprojekte. Nach und nach kommen diese zum Vorschein: der Turbolader ist angerostet, ein Kühlwasserrohr des Motors, muss erneuert werden, da heißt es, entsprechende Handwerksbetriebe und Ersatzteile zu finden.

Rost ist überhaupt ein grosses Thema. Wie beim Menschen: was nicht regelmäßig bewegt wird, rostet.

Im Großen und Ganzen können wir mit dem Zustand der Yin Yang allerdings zufrieden sein, wenngleich man aber nicht weiß  welche Überraschungen noch warten, wenn z.B. der Motor angelassen oder der Wassermacher in Betrieb genommen werden soll.

Es hat sich aber gelohnt, dass wir mit der Marina einen Servicevertrag ( regelmäßiges Checken, Lüften, Sprühen und Deckwaschen) abgeschlossen und selbst vor der Abreise alles picobello zurück gelassen haben.

Mit einigen Wochen bis zum Umzug aufs Schiff müssen wir rechnen. Deshalb haben wir heute sicherheitshalber den Bungalow bis in den Mai hinein reserviert.

Internetmässig sind wir hier bestens versorgt und per email auch am schnellsten und einfachsten erreichbar. Whats app klappt auch , allerdings hinterlegt mit der örtlichen Telefonnummer:

+679 7620374. Unsere österreichischen Telefonnummern funktionieren hier nicht.

Auch wenn wir medial hier gut versorgt sind ( Zeit im Bild und ö.Tageszeitungen) freuen wir uns sehr über persönliche Nachrichten!

 

 

Etwas Paradoxes zum Schluss: Vorgestern wurde beschlossen, dass in Fiji ab 7.4. alle Coronamaßnahmen und Einreisebeschränkungen fallen! Wenn wir das gewusst hätten!

Aber wir sehen das auch auch positiv - denn dann werden alle Schiffsbesitzer gleichzeitig hier einfallen und es wird ein G‘riß um Handwerker und Bungalows. Kein Nachteil ohne Vorteil!